Die Abenteuer am Scharmützelsee
oder: Eine brandenburgische Odyssee
Prolog - Vorspiel
Dies ist eine wahre Geschichte, wie sie sich so und nicht anders zugetragen hat. Sie wurde niedergeschrieben, um an jedem Herrentag verlesen zu werden und von dem Heldenmut und der Tapferkeit von vier jungen Männern zu berichten. Ferner sollen auch künftige Generationen erfahren, wie ein haarsträubendes Seeabenteuer zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Welt bewegte. Lehnt euch zurück und lauschet nun der Geschichte von den vier wackeren Helden des Scharmützelsees.
Kapitel 1 - Der Bucklige
Unsere seltsame Geschichte beginnt an einem sonnigen Tag im Jahre des Herrn 1999. Es ist das ideale Wetter um auszulaufen. Es ist heiß und eine leichte Brise umweht die Nasen unser vier Protagonisten. Diese vier haben beschlossen in See zu stechen und sind jetzt am Dock angekommen, wo sie ihr Schiff abholen wollen. Aufgereiht und die Nase in den Wind haltend, stehen sie da und schauen auf die Weite der See hinaus, und in ihren Herzen macht sich das Gefühl der Freiheit breit, wie es ein jeder Seefahrer kennt, denn seine Heimat sind die unendlichen Weiten der See.
Der erste in der durchaus stolzen Mannschaft ist der Schiffsjunge Norman „sie nannten ihn Mücke“ Roy, ein etwas schmaler aber trotzdem stolzer Bursche aus reichem Hause. Es sollte seine erste richtige Seereise sein, aber er konnte sich bereits auf einen reichhaltigen Erfahrungsschatz von Gummienten in der Badewanne und unzähligen Seemansgeschichten stützen. Für Seefahrer gibt es genau zwei Gründe die Heimat der Wellen und Stürme zu suchen, die Liebe oder das unendliche Abenteuer. Bei Schiffsjunge Roy war es die Liebe. Eine enttäuschte Romanze trieb ihn zur See, seine Angebtete erwiderte sein Werben nicht, denn ihr Herz schlug für Märchenprinzen oder osteuropäische Fährmänner. So ließ er sein Elternhaus und seine Angebete zurück und schloss sich der rauhbeinigen Gemeinschaft an, um eines Tages auch ein großer Seefahrer zu werden, und sein Glück an jedem Hafen neu zu finden.
Der zweite an Bord sollte der bereits tretbooterfahrene Deckschrubber und Smutje Moritz „feister Fettsack“ Berthold sein. Sein Bauchumfang, Alkoholkonsum und der Beruf seines Bruders (der gelernter Koch ist) machten ihn zum idealen Kanditaten für die Kombüse. Und da der Speiseplan der gesamten Crew sich eh im flüssigen Bereich bewegen sollte, waren die Ansprüche auch nicht zu hoch gesetzt. Seine Unsportlichkeit und mangelnde physische Leistungsfähigkeit machte er durch lautes und fröhliches Geschwätz wieder wett. Er hatte in den letzten Wochen mit einer schweren Krankheit zu kämpfen,die ihn fast dahingerafft hätte, aber pures Glück und diverse umstrittene Voodoo-Tränke, von hawaiianischen Ureinwohnern auch Wodka-Lemmon genannt, machten es möglich, das er seine Krankheit überwand und bereit stand, das Abenteuer zu wagen.
Der dritte im Bunde war ein Mann aus gut bürgerlichem Hause. Sein Name war Patrick „Pawlow“ Eltner. Seinen Spitznamen verdankt er seiner durchaus weltrekordverdächtigen Speichelentwicklung. Seine Erfahrung beschränkte sich vor allem auf den Besuch vieler Hafenkneipen, wo er auch oft in sich zusammengesunken und kommunistische Phrasen brabbelnd aufgefunden wurde. Nichtsdestotrotz war er ein, außer im Gesicht, äußerst gepflegter Mann und täuschte mit seinem Auftreten viele Grünschnäbel, die ihn nämlich nicht für den Navigator sondern eher für einen Werftbesitzer hielten. Auch er war nicht der physisch leistungsfähigste, aber durch ihn erhielt die Bierbauchfraktion ein starkes Übergewicht an Bord. Zur See trieb ihn die Suche nach neuen exotischen Kulturen, denen er sein wahres Wort verkünden und die Fein- und Gemeinheiten des Feuerwasserkonsums erläutern konnte.
Der Letzte und Erfahrenste in der Mannschaft war der Kapitän und Seebär Roman „Teddy“ Dröhnig. Er war ein Mann von gewaltiger Statur, baumstammlang und walfischdick mit einer langen, sonnengebleichten, blonden Mähne und lederner, seeluftgegerbter Haut. Sein Aussehen ließ sofort erahnen welche Abenteuer von epischen Ausmaßen dieser Mann bereits bestanden hat, und er konnte auch keine Gelegenheit verstreichen lassen, ohne eine Geschichte aus seinen zahlreichen Weltumsegelungen zu erzählen. Er macht sofort einen gemütlichen und sympathischen Eindruck, aber dennoch ist die Stärke und Durchsetzungskraft dieses Seebären legendär, und wer ganz genau in seine Augen sieht, wird dieses auch erkennen. Als annerkannter Freund und Unterstützer verschiedenster Hopfen-, Trauben- und Getreidegetränke wurde er an Land bekannt als der Wo-ist-mein-Whiskey-Mann und der Ich-gehe-jetzt-schwimmen-Wahnsinnige, wobei er jedesmal wie ein Orkan durch die Reihen seiner Gönner fegte und kein Hindernis stark genug war, um ihn aufzuhalten. Aber genau diese Mentalität war es, die unserer Crew später das Leben retten sollte.
Aber kehren wir zurück zum Dock, wo die vier Helden auf ihr Schiff warteten. Im Gegensatz zu den Schilderungen der Einheimischen, war dies ein eher kleines Dock. Es machte einen heruntergekommenen Eindruck und selbst die Hütte des Dockleiters wurde mehr schlecht, als recht von der bereits abblätternden Farbe zusammengehalten. Doch die vier Recken hatten keine Wahl, ihr letztes Schiff wurde aufgrund enormer Unterhaltskosten zu uneffektiv und sie waren darauf angewiesen, ihr neues Schiff an dieser Stelle kostengünstig zu erwerben. Nach einigen lauten Rufen öffnete sich die knarrend Tür der Hütte und der Hafenmeister erschien. Es war eine zwielichtige Gestalt, mit einem Buckel und einem steifen Bein. Sein Gesicht wurde von einem zerfetzten Lederhut verdeckt, aber ein grauer Vollbart
der darunter hervorstach, ließ bereits erahnen, daß mit diesem Mann nicht gut Kirschen essen war. Der alte Bucklige humpelte auf die Crew zu, hob seinen Kopf und studierte die Seefahrer schweigend. Die Helden waren vor Schreck ganz stumm, sie blickten in ein zerfurchtes Gesicht aus dem ein stechend blaues Auge hervorfunkelte, sein zweites Auge war getrübt, aber keiner der Anwesenden war wirklich interessiert an der Geschichte, wie es dazu gekommen war. Sie wollten so schnell wie möglich in See stechen und diese verwitterte Gestalt hinter sich lassen.
Der Kapitän fasste sich ein Herz und begann zu sprechen, die Zähen Verhandlungen hier wiederzugeben würde den Rahmen sprengen, aber so viel sei gesagt: Am Ende hatte selbst der erfahrene Kapitän das Gefühl, er wäre über den Tisch gezogen worden.
Und so standen die vier vor ihrem neuen Schiff, es verdiente diese Bezeichnung eigentlich nicht, es war ein wahrer Seelenverkäufer, die Planken von Muscheln besetzt, die wahrscheinlich besseren Zusammenhalt lieferten als die Nägel des Schiffs, die Masten waren wurmstichig und die Segel porös und löchrig. Das einzige was halbwegs brauchbar zu sein schien, waren die Ruder. Die tollkühne Truppe aber ließ sich den Mut nicht nehmen, es war schließlich ihr Schiff und das Abenteuer wartete, und da der Kapitän ein begnadeter Ruderer war, beschlossen sie dennoch in See zu stechen. Der Proviant wurde an Bord geladen, es gab keine Tagelöhner in diesem entlegenen Teil der Welt, sodas die Crew selbst anpacken mußte, und unter einigen Schwierigkeiten gelanf es auch noch der Crew an Bord zu gehen.
Mit der Sonne und einem lauten, hallenden Lachen des Dockleiters im Nacken stachen die vier in See dem Abenteuer und der Freiheit entgegen.
Kapitel 2 - Die Vespa Crapro
Es war sonnig, die See ging ruhig und der Kapitän am Ruder legte sich mächtig ins Zeug. Bald machte das Boot ordentliche 30 Knoten Fahrt, und die Seeluft gemischt mit dem alkoholischen Bordproviant lies eine fröhlich, gelassene Stimmung an Bord aufkommen. Schiffsjunge Roy wurde an den Bug verfrachtet, er sollte Ausschau halten und zwischenzeitlich anfallende Aufgaben erledigen.Der alte Seebär saß wie schon erwähnt am Ruder und sorgte für das nötige Tempo. Am Heck hattte die Bierbauchfraktion, in Person der Navigator und der Smutje Platz genommen und sorgten für den Ausschank. Alle Sorgen lagen an Land zurück, und das Hochgefühl durch die Wellen zu preschen, kennen nur echte Seemänner. Diverse Seemannslieder wurden angestimmt und mit Grog auf das gegenseitige Wohl angestoßen. Man war bereit die Meere zu bezwingen, und die Welt zu erobern. Der Friede war trügerisch, denn wie die Mannschaft kurz darauf erfahren sollte, lag ein gefährlicher Unhold bereits auf der Lauer, oder besser gesagt schwebte er, tödliche Bahnen ziehend, über dem stolzen Schiff unserer vier Helden.
Von einem Augenblick zum nächsten veränderte sich alles, ein dunkler Schatten huschte über das Boot hinweg und sofort kehrte Ruhe unter der ausgelassen feiernden Besatzung ein. Die Frage nach dem Grund des Schattens stand deutlich in allen Gesichtern geschrieben. Und die Antwort sollte nicht lange auf sich warten lassen. Mit einem furchtbaren Gebrüll raste ein geflügelter Dämon im Sturzflug auf das wehr- und mastlose Schiff zu, um direkt darauf kurz über die Köpfe der schon erbleichten Seemänner hinwegzufegen.
Lauthals verkündete der Smutje, das es sich um eine Hornisse handle und erklärte bereits sein Bedauern, das nun alles verloren sei. Der Navigator brachte nur noch stotternd ein paar Namen von Hafenbekanntschaften des weiblichen Geschlechts zustande, denen Bescheid gesagt werden solle, er sei für das wahre Glück im Leben draufgegangen. Seebär Dröhnig, noch der ruhigste von allen, machte den Vorschlag, den Schiffsjungen dem Ungetüm zum Fraß vorzuwerfen und dann schnell die Fliege zu machen. Dies stieß bugseitig allerdings auf herbe Kritik und der Plan wurde verworfen.
Somit sah sich die Besatzung einem Untier gegenüber, welches ganz offensichtlich auf Ärger aus war und zu einem neuem Anflug ansetzte. Seine Augen glitzerten schon nicht mehr nur listig und gemein und aus seinem gelb-schwarz gestreiften, monströsen, meterlangen Leib ragte angriffslustig eine stählerne, blutgetränkte Lanze.
Auf dem Schiff indes herrschte (untertrieben) betriebsames Treiben, Abwehrmaßnahmen wurden getroffen und gleichzeitig Pläne geschmiedet. Die Abwehrmaßnahmen beschränkten sich auf das Verstecken der wertvollen Ladung und das prüfen der Wassertemperatur mit gleichzeitgem Abwägen der Chancen ohne Schiff im Freistil die See zu überleben. Der Plan, der letzendlich einige Sekunden vor dem erneuten Eintreffen des garstigen Vogels fertig gestellt war, beinhaltete das völlig regungslose Ausharren und Hoffen, das eben dieses Höllentier das Interesse verlöre.
Gesagt, getan! Wieder furchtbare Laute von sich gebend, kam dieser Neffe des Höllenfürsten heruntergestürzt, aber anstatt nur Schrecken und Terror verbreitend wieder knapp über den Köpfen vorbeizuschiessen, entschied er sich zu einer Landung direkt auf dem Bein des Kapitäns. Es ging in Lauerstellung und funkelte bösartig aus seinen abgrundtief dunklen und bösartigen Augen. Kein Zweifel, es wollte den Kampf. Wie lange würde es ausharren, bevor es alle vier erledigte?
Vom Bug her kam stotternd der Vorschlag das geflügelte Viech mit einer Sandale zu erschlagen, solange es noch lauernd dasaß, der Navigator dagegen meinte es sei besser einen Kraftvollen Quetscher zu benutzen, um dem Dämon den Garaus zu machen.
Die ehrenvolle Aufgabe wurde dem Smutje übergeben, der nach einhelliger Meinung genug Erfahrung mit Insekten und Viehzeug (man brauche sich nur seine Küche anzusehen) hatte, und außerdem die geeignete Waffe in Form einer dreiriemigen Sandale sein eigen nennen durfte. Da die ideale Gegenschlagsposition auf der Heckseite lag, und der Navigator ein paar Gebete sprach, sich aber sonst nicht rührte, entschloss sich der tapfere Schiffskoch, die Sache in die Hand zu nehmen. Doch war sein Mut auch geringer als es den Anschein machte bzw.war er sich über die Art des Zugreifens noch nicht ganz schlüssig und führte einen halbherzigen Sandalenstreich gegen die gelbe Gefahr aus.
Ohne Zweifel stocke in dem Moment allen der Atem, und das Untier wurde am Kopf getroffen, aber der nur kraftlos ausgeführte Schlag sollte zum Verhängnis,für einen ganz besonderen Teil der Besatzung werden.
Der Terrorflieger taumelte kurz benommen, um sich gleich danach wutentbrannt in die Lüfte zu erheben. Aus seinen Augen sprühten Funken der Mordlust und er ging zum Angriff über.
Ein Kampf biblischen Ausmaßes brach aus und ein jeder der Besatzung trug Wunden davon, dennoch gelang es den vier wackeren Recken eine Art Patt Situation herbeizuführen, der Gestalt nämlich, das sich das vor Wut schäumende Flugwesen zu einer Atempause niedersetzen musste und somit auch den mutigen Verteidigern eine Verschanufpause gegönnt wurde, nun zumindest dreien davon. Der schwer bewaffnete gelbe Himmelstürmer hatte sich nämlich eine sehr brisante und dennoch taktisch kluge Stelle zum Verschnaufen ausgewählt. Er hielt den Schiffsjungen sozusagen als Geisel, indem er sein Mordsinstrument auf des Schiffsjungens Gemächt richtete und sich anschickte diese Position zwischen den
Beinen des armen Grünschnabels nicht kampflos wiederherzugeben.
Man belauerte sich gegenseitig und wartete, was als nächstes Geschehe. Alle warteten, bis auf „Mücke“. Die Panik ergriff ihn, die Farbe wich aus seinem Gesicht, seine Augen waren vor Entsetzen aufgerissen und hervorgequollen, sein Mund zum Schrei geöffnet und sein ganzes Antlitz zu einer Fratze des Horrors verzerrt. Am Heck herrschte eine Stimmung von sehr gemischten Gefühlen aus Mitleid, Angst, Erschöpfung und Fluchtgedamken. Der Kapitän selbst, war zwar erschöpft vom Kampf, dennoch behielt er einen mehr oder weniger klaren Kopf und entschloss sich zu einer Verzweiflungstat. Er schnappte sich eine herumliegende Waffe, die Sandale, die dem Koch von dem tollwütigen Insekt aus der Hand gerissen wurde, und hob sie gut sichtbar für das Untier hoch über seinen Kopf. Zum SChlag bereit verharrte der Kapitän in dieser Position. Er wollte dem Untier klarmachen, das ihm kein Opfer zu gross sei, wenn es denn den Tot eines weiteren Dämons bedeutete, er wollte den Anschein erwecken, das er zuschlägt ohne Rücksicht auf Verluste.
Das Untier war irritiert aber noch nicht überzeugt, es rechnete nicht mit einem solchen Wagemut und grübelte noch darüber nach, ober es diese bedrohliche Geste ernst nehmen solle oder nicht. Der Kapitän aber, überzeugt von seinem Plan oder vielleicht sogar wirklich entschlossen zuzuschlagen und den Schiffsjungen zum letzten in seiner Familie zu machen, untermalte seine Drohung mit den Worten: „Roy, das wird jetzt ganz kurz ganz weh tun!“
Das war zu viel. Die Gesichtszüge des Seemananwärters entgleisten völlig und er bagann aus vollem Halse, von der Panik übermannt zu schreien. Und Gott sei es gedankt, das Untier verstand das man auf diesem Schiff bereit war das junge Leben eines Besatzungsmitgliedes zu opfern nur um es zu töten. Sein Überlebenstrieb und die unmenschlichen Schreie des Schiffsjungen zwangen es zur Aufgabe, es erhob sich in die Lüfte und flog, nicht ohne uns nocheinmal bösartig und auf Rache sinnend anzufunkeln, davon.
Während breits der Navigator und der Smutje sich gegenseitig die Wunden versorgten, war am Bug des Schiffes immer noch keine Ruhe eingekehrt. Der junge Matrose klammerte in sich zusammen gekauert an der Rehling und schrie panikenstellt die andere Besatzung an.
Er war der festen Überzeugung der Mordvogel säße immer noch hinterhältig auf seinem Rücken um ihn mit seiner Lanze aufzuspießen. Der Schiffskoch faste sich ein Herz und versuchte ihn zu beruhigen indem er, ohne hinzuschauen, auf ihn einredete, das er sich das nur einbilde. Die Situation konnte aber nur der Kapitän beruhigen, indem er einfach maximale Fahrt gen Ufer aufnahm und den Plan verkündete an Landeinen Schützengraben auszuheben für den Fall, das ein erneuter Luftangriff bevorstand.
So machte das Boot mit einer brüllenden Galleonsfigur volle Fahrt in Richtung des unbekannten Ufers. Dort angekommen sprang die Besatzung, angeführt vom Schiffsjungen der entgegen seiner sonsitgen Mentalität diesmal der erste war, von Bord suchte sich Deckung und sondierte erstmal die Lage. Selbst wenn der tierische Sturzbomber noch in der Nähe gewesen wäre, hätte er spätestens jetzt die militärische Stellung und die taktisch vorteilhaftere Lage der Manschafft erkennen müssen und aufgegeben. Langsam kehrte wieder Ruhe ein.
Intermission - Zwischenspiel
Nach kürzerem Aufenthalt in der Stellung an Land, befand der Kapitän die Lage als ungefährlich und erklärte den Sieg. Der Jubel war groß und auch der Schiffsjunge hatte sich wieder beruhigt und nur noch unter dem Gelächter der anderen zu leiden. In Wirklichkeit wäre wohl kein anderer gern in der Geiselposition gewesen, aber das trübte die Schadenfreude auf keinen Fall. Lehrjahre sind nunmal keine Herrenjahre, das gilt genauso auf See. Die anschliessende Siegesfeier reduzierte sich ersteinmal auf ein frisches Bier vom Faß für jeden, da man beschlß den nächsten Hafen anzusteuern und in einer Hafenkneipe mit ein paar leichten Mädchen ausgiebig zu feiern und das gerade erlebte als pure Wahrheit unter andere Matrosen zu bringen, und vielleicht sogar den Anreiz für eine Expedition gegen das Untier zu geben, damit nicht noch andere schuldlose und vielleicht nicht ganz so wagemutige Seeleute Opfer dieser Gefahr würden.
Also ging man wieder an Bord, beseitigte die größten Schäden, zählte den Proviant und nachdem alle zufriedengestellt und mit einem weiteren Hopfengebräu beruhigt waren stachen sie als eine Erfahrung reichere Mannschaft wieder in See mit Kurs direkt auf den nächsten, küsteaufwärts liegenden Hafen.
Diesen erreichte man auch bald darauf, aber der Entschluß mit der Hafenkneipe wurde bald wieder verworfen. Denn es handelte sich um einen dieser neumodischen Häfen. An jedem Steg lagen große motorisierte Yachten und an Land tummelten sich Gesselschafften in feinstem Zwirn und warfen nur übelwollende Blicke unserer, etwas abgekämpft aussehenden Besatzung, entgegen Also wurde demokratisch abgestimmt und mit drei zu null Stimmen die Feier auf das eigene Schiff verlegt und der neue Kurs gen Heimatdock festgelegt. Als Zusatzprotokoll wurde ohne Abstimmung hinzugefügt das der Heimatkurs nicht durch insektengefährdetes Gebiet verlaufen sollte. Und schon war man unter heiterem Gebrüll beim fröhlischen Umtrunk wieder auf hoher See.
Kapitel 3 - Der Sturm
Jaulend, johlend und singend vergaß selbst der Kapitän seinen sechsten Sinn und so bemerkte niemand, die erneute Gefahr, die sich auch diesmal von oben näherte.
Nur sollte dies den Kampf mit dem Ungetüm in den Schatten stellen.
Pechschwarze, kilometerhohe Sturmwolken zogen am Horizont auf und niemand bemerkte es. Eine steife Brise umwehte schon die angeheiterte Besatzung, aber es störte keinen.
Erst als der erste Blitz und der darauf folgende ohrenbetäubende Donner das Jubeln der Seeleute unterbrach, wurde allen auf einen Schlag klar, das man sich in eine lebensbedrohliche Situation manövriert hatte. Sekunden später brach der Sturm auch in seiner vollen Kraft los. Windstärken bis zur Stufe 12 peitschten die Wellen bis zu zehn Meter hoch auf. Das Schiff wurde umhergeworfen wie eine Nußschale.Von der Seite kommender Regen traf auf die nicht wetterfest gekleideten Seeleute und durchnäßte sie binnen Sekunden. Ein Hagel von biblischem Ausmaß prasselte hernieder und Hagelkörner so groß wie Melonen bombardierten das kleine, schon arg gebeutelte Schiff.
Eines war sofort klar, es fehlte der große Martin „Dreikaiserhof, die Hand, der Kopf, der Schlitzer“ Rülke um die Ladung festzuzurren, aber auch ohne die Hilfe dieses begnadeten Verlademeisters, musste es weitergehen und es galt die Probleme der Reihe nach zu lösen.
Diesmal war es nicht der Schiffsjunge, sondern der Koch den der größte Unmut packte. Das erste was ihm bitter die Kehle aufstieg, war seine Küche. Unterdeck war alles innerhalb kürzester Zeit voll bitterem Meerwasser, außderdem fürchtete er um seine angeschlagene Gesundheit, es gäbe nicht so viel Wodka-Lemmon, um das wieder auszugleichen. Er tat dies auch lautstark kund.
Der Kapitän brüllte über das Donnern des Jahrhundertsturmes hinweg klare Anweisungen und stemmte sich mit seiner ganzen Kraft in die Ruder. Seine Sorge galt vor allem der an Bord befindlichen Vorräte. Sein „DECKT MEIN BIER ZU DA KOMMT WASSER REIN!!!“ hat man bestimmt noch auf Honululu gehört und ist dort auf die Knie gefallen als hätte der Liebe Gott persönlich gesprochen. Doch Poseidon meinte es nicht gut mit den vieren, er schien beschlossen zu haben, die Tapferen ordentlich auf die Probe zu stellen.
Das Problem mit dem Wasser wurde immer bedrohlicher, der kleine Seelenverkäufer lief einfach voll und hatte inzwischen mehr Tiefgang als die Titanic. Und jedesmal wenn das Schiff von einem 20 Meter hohen Wellenberg hinabsauste und von der Welle überrant wurde liefen alle Gefahr einfach nur von Bord gespült zu werden.
Die Idee kam ausgerechnet dem Navigator, der lange versucht hatte sich an seine Gespräche mit dem „Wassrohrpumpenwasserzangenmann“ ,oder besser der begnadete Verlademeister, zu erinnern, um eine Hochleistungspumpe aus ein paar Klebholzstücken, Paketschnur und 8er-Dübeln zusammenzubauen. Er kam auf die Idee mit dem Multifunktsionmegawerkzeug des Schiffsjungen, ein Werbegeschenk des Kaisers von China, die bereits geleerten Bierfäßer su halbieren und damit von purer Muskelkraft betriebem, das Wasser soweit auszschöpfen um den gegenwärtigen Tiefgang wenigstens zu halten.
Nach einigem hin und her, auf und ab und ein paar Aufschreien weil der Navigator selbst und der Smutje fast ein paar Finger verloren hätten, es waren eben beide keine erfahrenen Heimwerker, gelang es drei funtkionstüchtige Schöpfwerkzeuge herzustellen. Sofort begann die Arbeit und auch der Schiffsjunge begann heldenhaft mit dem Schöpfen, was bei diesem Seegang nicht einfach war, da man sich aller Sekunden an die Rehling klammern mußte um nicht über Bord zu gehen.
Der Kapitän brüllte, während er sich mit vollem Körpereinsatz gegen die Wellen stemmte, nur: „SCHMEISST MEIN BIER NICHT UM!!!“ und somit waren die Aufgaben für das erste Überleben klar verteilt. Es gelang tatsächlich den Wasserpegel des im Inneren des Schiffes auf Kniehöhe über Deck zu senken, unt unter der motivierenden Anführungen des alten Seebären gelang es auch diesen Pegel zu halten. Mit ein paar Geschichten, die er nur schreiend erzählen konnte, über seine Kap Horn Umsegelungen und 70 Meter hohe Wellen machte er der ganzen Besatzung Hoffnung dieses Unwetter mehr oder weniger ohne Knochenbrüche zu überleben.
Immer noch Wasser schöpfend schlug die anfängliche Panik am Bug und Heck des Schiffes jeweils auf eigenartige Art und Weise um. Am Bug fluchte der Schiffsjunge und beschimpfte Poseidon auf eine Art und Weise, wie sie einem übelriechendem Pirat auf Beutezug würdig gewesen wäre. Heckseitig war über den tosenden Orkan lautes Gelächter zu hören, das Poseidon gröhlend herausforderte und ihn schmähte wegen seiner Unfähigkeit mehr zu leisten als dieses Stürmchen. Der Seebär grunzte zufrieden, ob der moralischen Einstellung seiner Mannschaft und lies seine, von jahrelanger Sturmerfahrung gestählten, Muskeln die Ruder sicher und fest die 30 Meter hohen Wellen bekämpfen.
Die Sicht auf See war nahezu nicht vorhanden, und so wußten die vier nicht, wohin sie der Sturm bereits getrieben hat, aber die Hoffnung war da, nicht zuletzt weil der Kapitän das gesamte Vertrauen der Mannschaft besaß. Und so sollte es kommen, das nach einem stundenlangen Kampf gegen Regen, Wasser, Kälte, Hagel, Sturmwinde der Stärke 15 und 40 Meter hohen Wellen der Sturm langsam abebbte.
Die Sonnenstrahlen brachen durch die Wolken und gaben den Blick auf die vom SChicksal arg geprüfte Besatzung frei. Durchnäßt, halb erfroren, abgekämpft, verwundet und nicht zuletzt wieder nüchtern, saßen sie da und begrüßten die Sonne mit einem Teifen Seufzer und einem Aufschrei der Freude. Und wie durch ein Wunder, brüllte der Schiffsjunge auch „LAND IN SICHT!“. Die Vier waren nur wenige Seemeilen vom Heimatdock entfernt. Und so legten sie die letzte Strecke mit einem sinkenden Boot, mit Geschichten und Fachgesimpel des Seebären, in Rekordzeit zurück.
Epilog - Nachspiel
Als das Dock in Sicht kam, konnte die Besatzung bereits ein winkendes Empfangskomitee, bestehend aus den Freunden und dem buckligen Hafenmeister ausmachen. In den Gesichtern der Vertrauten Leute stand die Sorge um die Helden bzw. die Sorge um das Schiff im Gesicht des Hafenmeisters. Unter Jubel steuerte der Kapitän an den Anlegesteg, und das keine Sekunde zu spät, denn in dem Moment als unsere Helden, das Boot verließen, gleich bepackt mit dem letzten Proviant, brach es in der Mitte auseinander und verabschiedete sich mit einem Gurgeln in die Tiefen des Hafenbeckens.
Alle waren froh diese Odyssee überlebt zu haben und es wurde gehörig gefeiert und jedem der es hören wollte, oder auch nicht, wurden die Heldentaten kundgetan. Auch der junge Deckschrubber war zu einem Seemann geworden und mit viel Grog wurde sein Mut gefeiert.
Alle konnten es kaum erwarten bald wieder in See zu stechen, aber erstmal war es an der Zeit etwas zu trinken.
Prost!